DES DRACHEN AUGE (German)

DES DRACHEN AUGE

 

Heimito von Doderers Erzählung "Das letzte Abenteuer" - ein kritisches kulturell-historisches Panoptikum?

 

 

Sie will ja nichts lehren, weder Geschichte noch Gesinnung, die heitere Kunst der Erzählung; und, wer weiß, vielleicht kommen wir auch hier in irgendeiner Weise bei wirklichen Ärmeln heraus.1

 

 

Gibt es so etwas wie Lieblings-Texte der literaturwissenschaftlichen Forschung? Wählt man die Auseinandersetzung mit dem Schaffen des österreichischen Autors Heimito von Doderer als Grundlage für die Beantwortung dieser Frage, müßte man sie bejahen: Liegen nämlich zu Doderers Romanen zahlreiche Untersuchungen vor, so muß man gleichzeitig eher erstaunt zur Kenntis nehmen, daß ein erzählerisch dichter und aussagekräftiger Text wie das "Letzte Abenteuer" bislang in der Doderer-Forschung eher geringe Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. Darf man den einschlägigen Bibliographien nämlich Glauben schenken, so behandeln den Text intensiver (von un-ernsthaften Beiträgen abgesehen) Ivar Ivasks Aufsatz "Psychologie und Geschichte in Doderers Romanwerk" aus dem Jahr 1968,2 weiters eine Wiener Magister-Arbeit aus dem Jahr 1989, die den inhaltlichen und formalen Vergleich der Text-Fassungen von 1922 und 1936 leistet,3 und schließlich Edit Királys Wiener Doktor-Dissertation "Drachen, Hexen und Dämonen. Heimito von Doderers Geschichtspoetik" aus dem Jahr 1998, in der Doderers Erzählung auf 4 1/2 Seiten unter dem Aspekt des Abenteuers als der Verschiebung einer Erzählform - nämlich der mittelalterlichen âventiure - untersucht wird.4

Der zweite Umstand, der erstaunt, besteht in der übereinstimmenden Sicht des Textes: Beginnend mit Ivar Ivasks Aufsatz wird, mit Blick auf den Protagonisten, den Bannerherrn Ruy de Fanez, Doderers Erzählung interpretativ in den Bereich einer individuellen Identitäts-Findung und in den der Wirklichkeits-Problematik gerückt.5 Über diesen Rahmen hinaus geht letztlich auch Edit Királys Diskussion des Textes nicht, obwohl sie sich in ihrer Auseinandersetzung mit der zu Doderers Text vorliegenden Sichtweisen von denselben unübersehbar distanziert und gleichzeitig in den Ergebnissen ihrer Analyse wesentliche Grundlagen für eine das bisher Übliche überschreitende Sichtweise des "letzten Abenteuers" bereits isoliert gehabt hätte.6

Nun kann man Doderers Erzählung zweifelsfrei auf der soeben skizzierten Ebene rezipieren. Weder Ivask noch die Autoren der genannten späteren Untersuchungen haben sich hier handwerkliche Fehler vorzuwerfen. Trotzdem sollte man aber zur Diskussion stellen, ob nicht Doderers Erzählung das Potential besitzt, dem Leser mehr mitgeben zu wollen als einzig den Hinweis auf die existentielle Qualität des ritterlichen Protagonisten angesichts des sozialen Abstiegs seines Standes.

Die diesbezügliche These des vorliegenden Beitrages lautet: Über die zweifache panoptische Koppelung der Stauferzeit an die für den Aufstieg des Bürgertums so wesentliche Prager Regentschaft Karls IV. und die von innen-politischen Zwistigkeiten geprägte Herrschaft Friedrichs III. erfolgt im "Letzten Abenteuer" mithilfe einer leitmotivisch gewährleisteten Vernetzung aus Verschweigen und Aussprechen, aus Anspielung und kulturellem Zitat, die (auf dem Aspekt der zeit-atmosphärischen Ähnlichkeit gründende) Allusion auf den für die betroffenen Menschen emotional so verwirrenden kulturell-politischen Identitäts-Verlust der zerbrechenden Donaumonarchie - und damit die kritische Stellungnahme zu habsburgisch-österreichischer Kultur und europäischer Politik im Umfeld des ersten Weltkrieges. Oder anders gesagt: In Heimitio von Doderers Erzählung vom "Letzten Abenteuer" schreibt ein Autor unter dem gezielten Einsatz des kulturell-politischen Erbes einer Zeit über diese Zeit für die Teilhabenden an dieser Zeit.

Man sollte nämlich nicht außer Acht lassen, daß sich Doderers Arbeit am "Letzten Abenteuer" über die politisch einschneidenden Jahrzehnte unseres Jahrhunderts erstreckte: Sie begann während des ersten Weltkrieges in russischer Gefangenschaft mit einer ersten Fassung im Jahr 1917, dem Jahr, das mit der Abdankung des österreichischen Kaisers Karl I. noch vor Ende des Ersten Weltkrieges das Ende der Donaumonarchie brachte. Ein Jahr zuvor, 1916, war Kaiser Franz Joseph I. nach 68-jähriger Regentschaft verstorben. Während der Anfangsjahre der Ersten Republik wurde die erste Fassung überarbeitet. 1936 entstand die endgültige Fassung, die erst 1953 veröffentlicht wurde.7 Zwischen erster und letzter Fassung liegen damit die Jahre des Österreich 1922 erneut auferlegten Anschlußverbotes ebenso wie die des Austromarxismus und jene der Dollfuß-Diktatur. 1934 fiel Dollfuß durch ein Schußattentat im Parlament einem nationalsozialistischen Putschversuch zum Opfer; 1936 schlossen Österreich und das Deutsche Reich ein Abkommen, von dem sich Österreich mehr Sicherheit erhoffte.

Vor diesem Hintergrund an eine unpolitisch-zufällige, einzig der Unterhaltung des Lesers verpflichtete Motivation des "Letzten Abenteuers" zu glauben, bedeutete wohl das Schaffen eines Autors zu ent-historisieren. Vielmehr müßte es erlaubt sein, hier historisch-kulturelles Bewußtsein vorauszusetzen.8 Daß der vorliegende Beitrag mit der Frage überschrieben ist: Heimito von Doderers Erzählung "Das letzte Abenteuer" - ein kritisches kulturell-historisches Panoptikum?, bedeutet die Einladung zur Diskussion über diese These.

Entwickeln wir deshalb zunächst die Argumentation zu einer potentiellen Verifizierung der These in ihren Grundzügen. Sie nimmt ihren Ausgangspunkt im Blick auf die Struktur des Textes.

"Das letzte Abenteuer" als Panoptikum sehen, heißt nämlich als erstes: Man kann seine Überlegungen nicht, wie bislang geschehen,9 damit beginnen, die Figur des Ruy de Fanez zu isolieren und aus ihrem erzählten Umfeld herauszuheben. Vielmehr muß sich die text-interne Position des Ruy de Fanez, im Vergleich zu der in den bisherigen Interpretationen vorausgesetzten, verschieben: Die Figur des Bannerherrn tritt im Verband der Figuren-Konstellation relativ zurück. Schließlich besteht die Charakteristik eines Panoptikums - wie der Begriff in seiner wörtlichen Übersetzung schon sagt - in der Gewährleistung des Überblickes, in der Gewährleistung einer Zusammenschau von an und für sich räumlich wie zeitlich voneinander getrennten Elementen.10 Einem Panoptikum geht es demnach um ein Gesamtes. Es hat bei-ordnenden Charakter. Ein alles dominierendes Zentrum des Panoptikums kann es konsequenterweise nicht geben. Trotzdem bleibt Ruy de Fanez der Protagonist der Erzählung, allerdings in anderer Berechtigung. Diese liegt nicht mehr primär in der Entwicklung des Helden von einem Ausgangspunkt auf einen Endpunkt zu, sondern in den Beziehungen zwischen ihm und den einzelnen Figuren sowie in den Beziehungen zwischen deren charakterisierender Zeichnung durch das erzählende Bewußtsein und der charakterisierenden Zeichnung des Protagonisten. In den Vordergrund der Betrachtung tritt statt der Prominenz eines handelnden Helden die Parallelität der durch die einzelnen Figuren gesetzten Handlungsstränge.

Tatsächlich ist Doderers Erzählung auf eine solche Sichtweise hin konzipiert: Jede der agierenden Figuren durchlebt für einen bestimmten Erzählabschnitt die gleichen Situationen, die aber für keine der handelnden Figuren dieselben sind. Vielmehr lebt jede der Figuren dem Leser eine mögliche Handlungs-Variante, ein Handlungs-Modell, in den entsprechenden Situationen vor: in der Begegnung mit dem Drachen, bei dem Eintreffen am Hof von Montefal, in der Wahl des jeweiligen männlichen bzw. weiblichen Partners im Kontext der Hofgesellschaft von Montefal, in der intellektuellen Auseinandersetzung mit dem dortigen Leben und dem, wofür es für jede der betroffenen Figuren steht. Dieses Konstruktionsprinzip verleiht der Zahl der handelnden Figuren ihre Logik: Um eine panoptisch angelegte kulturell-politische Anspielung zu literarisieren, bedarf es der Vielfalt der Aspekte.

Eben diesem Konzept der Vielfalt korrespondiert des weiteren der Umstand, daß die Ritter und ihr Gefolge unterschiedlichen Nationalitäten angehören: der Bannerherr Ruy de Fanez ist Spanier, sein erster Schildknappe Gauvain der Schreibung seines Namens nach Franzose, sein zweiter Knappe, Patrik, Sohn eines englischen Grafen, Gamuret, der Fronauer, und sein blonder Knappe Eric sind Deutsche. Nun könnte man einwenden, diese Multikulturalität habe mittelalterlicher Praxis entsprochen und der promovierte Historiker Doderer habe im Streben nach Authentizität gehandelt. Doch damit läßt sich noch nicht die Ausgewogenheit in der Wahl der Nationalitäten erklären. Sieht man nämlich genau hin, so findet man hier die zwischen Mittelalter und Jetzt-Zeit politisch wie kulturell bedeutenden Nationen Europas vereint - und jede der Nationen erscheint über die Charakterisierung der ihr zugeordneten Gestalt an ein im kulturellen Denken des neuzeitlichen Europas stereotypes Attribut gebunden: der Spanier zeichnet sich in Haltung und Handlungsweise durch hoheitsvollen Stolz aus, der Franzose räumt der Liebe einen zentralen Platz in seinem Leben ein, der Deutsche tritt geradlinig, aber auch ein wenig ungeschliffen, um nicht zu sagen, ein wenig grobschlächtig, auf; der Engländer schließlich erweist sich als kühler und in gewisser Weise technokratischer Verstandesmensch.

Nun geht Doderer aber noch um einen wesentlichen Schritt weiter: Er verknüpft die nationale Zuordnung und Charakterisierung der Figuren mit der Wahl von Namen, die kulturelle Zitate oder zumindest Anspielungen vorstellen: der deutsche Ritter trägt den Namen von Parzivals Vater aus Wolfram von Eschenbachs Epos um den Grals-Sucher;11 der Name seines Schildknappen Eric spielt lautlich zweifellos auf den Helden des für die Definition ritterlicher Tugenden maßgeblichen Textes deutscher Sprache an: Hartmann von Aues "Erek"; und in der französisierenden Schreibung des Namens Gauvain läßt sich unschwer die Anspielung auf Gawein erkennen, jenem Ritter aus dem Artus-Sagen-Kreis, der in Wolframs "Parzival" die welt-zugewandte Gegen-Figur zu Parzival verkörpert und der als die wohl am häufigsten literarisierte Gestalt der französischen und deutschen Artusromane stets in Abenteuer - nicht zuletzt natürlich nach Rittersitte in galante - verstrickt wird. Ruy de Fanez schließlich trägt die Anspielung im Beinamen: Man nenne ihn einen fahrenden oder einen irrenden Ritter, sagt er von sich selbst.12 Und den irrenden Ritter höfischer Literatur verkörpert Wolframs Parzival, nachdem er wegen seines Versagens auf der Gralsburg von der Gralsbotin Kundrie verflucht und aus der Artusrunde ausgeschlossen abermals auf der Suche nach dem Gral durch die Welt irrt und bevor er durch den Einsiedler Trevrizent in das Geheimnis des Grals eingeweiht dann doch noch die sogenannte Schmerzensfrage an den Gralskönig richtet, diesen so erlöst und selbst Gralskönig wird.

Das heißt, die Namen Gauvain, Eric und Gamuret weisen nicht nur, wie Edit Király richtig erkannt hat,13 auf das mittelalterliche Vorbild der âventiure, sondern Doderer evoziert in seiner Figuren-Konzeption neben den für seine Zeit gängigen nationalen Klischees die Stauferzeit, die Blütezeit mittelalterlich-europäischer Kultur - sofern man heute einen Terminus wie "mittelalterliche Kultur" in seiner verallgemeinernden Aussage überhaupt noch verwenden möchte. Für Doderers Zeit aber hatte er, wie die damit verknüpfte Vorstellung, noch unumstrittene Gültigkeit - und damit für die vorliegenden Ausführungen seine Berechtigung.

Daß die Figuren nun in dieser Eigenschaft nicht literarisch-kulturelles Zitat um seiner selbst Willen befördern, erkennt man angesichts ihrer motivischen Verknüpfung und angesichts der spezifischen Handlungs-Stuktur des Textes. Letztere verkörpert in ihren äußeren Konturen das von Edit Király in seiner Verschiebung zum Abenteuer diskutierte âventiure-Konzept14 und befindet sich auf dieser Makro-Ebene in Deckungsgleichheit mit dem in den Figuren zitierten Kulturgut der Stauferzeit. Auf der Ebene der Mikro-Struktur jedoch lebt die Handlungs-Struktur vom Stil-Mittel des komischen Epos: der Unangemessenheit - und markiert Doderers Erzählung so als ironischen Blick auf einen epigonal inszenierten Anachronismus: die Welt von Montefal.

Edit Király spricht hier von Parodie, die in der "satirische[n] Imitation" der Form das Integrationsschema der Identitätserzählung als Verfallsgeschichte "aktualisiert".15 Nur, daß es mit Blick auf die Text-Aussage eben nicht wirklich um die Identität des Ritters Ruy de Fanez gehen muß und nicht wirklich um den Verfall der mittelalterlichen Ritterkultur, sondern daß es eigentlich um etwas Drittes - Un-gesagtes - gehen kann, bleibt leider auch in Kiralys Überlegungen unausgeführt. Eher als den "Verfall" von Werten und Charakteren scheint die erzählte Handlung des "Letzten Abenteuers" - so erkennt man bei genauerem Hinsehen - den Pozeß einer schleichenden Werte-Relativierung zu literarisieren. Trotzdem bildet nicht diese die tiefere Aussage des in der Erzählung inszenierten Panoptikums, sondern das, woraus sie das erzählende Bewußtsein ableitet: aus einer sich vollziehenden Zeiten-Wende - nicht einer kalendarischen Zeiten-Wende, sondern einer grundlegenden Veränderung in den Lebens-Umständen der Menschen, einem unfreiwilligen Abschied vom Gewohnten, von der Stabilität der Verhältnisse, vielleicht auch symbolisch in Verbindung gebracht mit einem markanten politischen Ereignis oder dem Tod einer politischen Symbolfigur.

Darin hat man exakt den Punkt vor sich, an dem Doderers Text durch die panoptische Koppelung der über die Benennung der Figuren inszenierten Evozierung der Stauferzeit an die Regentschaften Karls IV. und Friedrichs III. das Potential eröffnet, auf das Ende der Habsburgermonarchie unter Karl I. sowie auf die unruhigen, von politisch-kultureller Identitätssuche geprägten Jahrzehnte danach zu verweisen und damit einen Aktualitätsbezug der Erzählung zu gewährleisten. Und er tut dies, so pararadox es scheinen mag, indem er die Personen Karls IV. und Friedrichs III. explizit und namentlich gar nicht nennt. Es bleibt dem Leser überlassen, die Gedanken-Brücken herzustellen (oder auch nicht) - ein für die vorliegenden Überlegungen wesentlicher Punkt.

Auf der vordergründig erzählten Ebene des "Letzten Abenteuers" nämlich erhält die Schlacht von Crécy die symbolische Qualität der Zeiten-Wende, jene Schlacht des Jahres 1348, die mit dem englischen Sieg über das französische Ritterheer die Entscheidung im Hundertjährigen Krieg brachte. In dieser Schlacht nun, so berichtet Ruy de Fanez seinem englischen Schildknappen Patrik, sei auf Seiten der französischen Ritter der blinde Böhmenkönig Johann von Luxemburg gefallen - und, Zitat: "sein Sohn trägt heute die Kaiserkrone".16 Johann von Luxemburg wird innerhalb dieser Konstellation als Inbegriff ritterlicher Ehre und uneigennütziger Reinheit aufgebaut und auf solche Weise suggestiv dem staufischen Kultur-Ideal zugeordnet. In dieser Eigenschaft rückt ihn die erzählerische Strategie mithilfe des Motiv-Inventars zum einen in bedeutungsvolle Nähe zur Figur des Ruy de Fanez und dessen Beziehung zu dem Schildknappen Patrik und zum anderen in eine Schlüssel-Position mit Hinblick auf die Aussage der Erzählung: Die Gestalt des Johann von Böhmen erscheint gebunden an das Leit-Motiv des Drachenauges zum einen und an das Motiv des Totentanzes zum anderen. Ruy de Fanez erwähnt den blinden Böhmenkönig zum ersten Mal auf dem Ritt mit Patrik, nachdem dieser die Erfolge der englischen Bogenschützen in einer kürzlich stattgefundenen Schlacht gegen den Franzosenkönig gelobt hat und unmittelbar bevor Patrik seinem Herren vorschlägt, den Drachen durch einen gezielten Bogenschuß ins Auge zu töten. Das zweitemal erscheint die Gestalt des bei Crécy gefallenen Königs eingebunden in jenen visionären kulturellen Ahnenzug, der dem geistig entrückten Ruy de Fanez in der abendlichen Ruhe und Einsamkeit von jener Lichtung aus, von der er erstmals den Drachen gesehen hatte, in den Wald hinein folgt.17 Und er folgt ihm als der für das 14. und 15. Jahrhundert typische Totentanz, ausgelöst von dem rücklings auf einem Pferd als Tod mit Fiedel reitenden Spielmann. Hier vollzieht sich die suggestive Identifizierung jenes Herrschers mit dem Moment einer heraufziehenden Zeiten-Wende: "Längst war Ruy mit der Spitze des Zuges wieder in den Wald getaucht [...], als des bunten und vielfältigen Gefolges Mitte gerade im Mondlicht langsam die Kuppe überschritt: diese Mitte des Zuges bildeten die Chimären. Ihr Erscheinen bedeutet allemal einen Wechsel der Zeiten, und so hatten sie sich denn hier wieder eingestellt ...".18 Indem Ruy dem Zug voranreitet, bringt der Text seine repräsentative Qualität zum Ausdruck: Ruy de Fanez vertritt die durch den Böhmenkönig symbolisierten Werte.

Der mit der erzählten Gegenwart identifizierte Sohn Johanns, Karl IV. - von dem der Text bedeutungsvoll verschweigt, daß er die deutsche Kaiserkrone trägt - dagegen korrespondiert nicht mit dem Totentanz sondern mit dem leitmotivisch auftretenden Bild einer schemenhaft am westlichen Horizont sich abzeichnenden größeren Stadt - also bereits mit dem Wandel der Gesellschaft weg vom Rittertum und hin zu einem sich etablierenden städtischen Bürgertum.19 Indem Ruy de Fanez die epigonale Welt von Montefal in Richtung auf ebendiese am Horizont sich abzeichnenden "Umrisse einer größeren Stadt" verläßt,20 nimmt er die Werte Johanns gleichsam als Relikt einer früheren Zeit mit sich in eine neue und wird so in dieser selbst zum Relikt. Doch anders als seine Folie Parzival - auf den an dieser Stelle zweifellos angespielt wird - verläßt Ruy den text-internen Inbegriff höfischen Lebens freiwillig, um erneut nach dem Gral zu suchen - oder besser: um ihn im Kontext der heranbrechenden Zeit neu zu definieren.21 Und er findet ihn in Gestalt der überfallenen Bauern.22 Das Bild der silhouettenhaften Stadt am Horizont verbindet aber nicht nur Karl IV. mit dem sich abzeichnenden gesellschaftlichen Wandel und mit der Gestalt des Protagonisten, sie setzt Karl IV. in seiner symbolischen Bedeutung in Beziehung zu Ruys Schildknappen Patrik, von dem es ausgerechnet, als er mit seinem Herrn in der Stadt bei Bürgern einkehrt, heißt, er werde einst in der englischen Grafschaft seines Vaters über mehrere solcher Städte herrschen.23 Gleichzeitig referiert Patrik jedoch auch auf die Gestalt Johanns von Luxemburg und auf das Leit-Motiv des Drachenauges. Er verkörpert so zweifach die neue Zeit. Denn einzig Patrik nimmt Ruy de Fanez als den Repräsentanten einer nächsten Generation mit sich auf seinen Ritt in die neue Welt. Und auf diesem Ritt zeigt sich, wie sehr der englische Knappe der neuen Zeit angehört; und es zeigt sich zunächst bezeichnenderweise an der Person des Böhmenkönigs Johann: Patrik hat noch nie von ihm gehört, während ihm jene Schlacht von Crécy wegen des englischen Sieges durchaus geläufig ist.24 Deshalb kann für ihn die Gestalt des blinden Königs aber auch nicht zum Inbegriff des Mythos einer vergangenen Zeit und ihres Werte-Systems werden wie für Ruy de Fanez. Und folgerichtig ist Patrik in der Lage, nüchtern über die effektivste Möglichkeit nachzudenken, den Drachen zu töten. Man hat es hier mit einer ganz speziellen Form der Unangemessenheit zu tun: Der von Patrik vorgeschlagene Pfeil-Schuß ins Auge kennt nämlich - wie Kenner der Materie versichern - keine Vorläufer in der einschlägigen literarischen Tradition.25 Niemand der Drachen-Töter in europäischer Literatur zwischen Mittelalter und Neuzeit hat jemals das Tier so erlegt. Objektiv betrachtet, handelt es sich bei der vorgeschlagenen Vorgehensweise um eine Jagd-Praktik. Im Kontext der Erzählung allerdings kommt dem Umstand, daß Patrik den Drachen ausgerechnet ins Auge treffen möchte, essentielle Aussage-Kraft zu. Hatte doch gerade das Auge des Drachen dem Ritter de Fanez als Spiegel gedient für jenen visionären Blick in Vergangenheit und Zukunft, der ihm die Einsicht vermittelt hatte in die Unverhältnismäßigkeit seiner Kraftanstrengung in Anbetracht eines so peripheren Ziels wie der Hand jener Herzogin, die nicht wirklich bedroht war: Er hatte darin die Herzogin, die seine spätere Reflexion des Blickes in das Auge des Drachen in spannungsreichen Kontrast zu den Konturen der Stadt am westlichen Horizont rückt,26 ebenso erblickt wie das Symbol der bedrängten Bauern, die verödete Mühle.27

Was Patrik somit aus Unwissenheit zerstören will, bedeutet für Ruy die mystische Grundlage seines neu-definierten Selbst-Verständnisses. Patrik lebt und denkt bereits in einer modernen, ent-mystifizierten Welt, in einer Welt, die technischer Sachlichkeit den Triumph einräumt. Das Auge des Drachen bildet im Gefüge der Erzählung so jene signifikante Achse, an der sich alles scheidet - oder wenn man so will, alles vereint: Hier trifft das Vergangene auf das Zukünftige, hier trifft die epigonale Welt von Montefal auf jene Entwicklungen, die sie zu Fall bringen werden, hier trifft Ruys früheres Leben auf seine Zukunfts-Perspektive, und hier trifft die Welt des Knappen Gauvain, den am Drachen einzig der Zweck des damit verbundenen Preises interessiert, auf die des Knappen Patrik, für den die Erlegung des Drachen eine ebenso technische wie wert-freie Herausforderung darstellt.

Diese Qualität des Auges generalisiert sich im Drachen selbst - insbesondere dann, wenn er sich zum Kreis schließt und so das Zeichen der Kontinuität bildet.28 Und signifikanterweise schließt der Drache den Kreis um den deutschen Ritter Gamuret Fronauer: Während dieser auf den Angriff des Drachen wartet, läuft das riesige Tier dem eigenen Schwanz nach.29 Die Figur des Fronauers wird auf diese Weise äußerlich als historisches Panoptikum in sich gekennzeichnet - und dies entspricht exakt der Figuren-Konzeption. Gamuret Fronauer bietet dem (einschlägig vorgebildeten) Rezipienten von Doderers Erzählung nämlich die Perspektive zu einer möglichen - wenn auch in der Gewichtung ihres Potentials unterschiedlich wahrscheinlichen30 -  dreifachen Allusion: zu der bereits dargelegten Evokation staufischer Kultur; zu den politischen Quärelen unter Friedrich III., unter dessen Regentschaft ein Gamuret Fronauer - laut einer Wiener Bürgerchronik aus dem 15. Jahrhundert, wie Wendelin Schmidt-Dengler in seinem Nachwort zur Reclam-Ausgabe des "Letzten Abenteuers" von 1981 ausführt31 - seinen eigenen politischen Vorteil suchte; und schließlich - in dem Umstand von Gamurets fiktions-immanenter deutscher Abstammung vor dem Hintergrund der Epigonenhaftigkeit Montefals - zu dem wachsenden und für Spannungen sorgenden nationalsozialistischen Einfluß im Österreich der Ersten Republik. Nennt doch der Staatsratspräsident von Montefal dem jungen Ritter Gauvain als staatsmännische Bedenken gegen eine Heirat der Herzogin mit dem Deutschen innere Unruhen und mögliche Verwicklung in kriegerische Konflikte.32 Gleichzeitig bringt aber der Kreis-Schluß des Drachen um Gamuret eine Möglichkeit zum Ausdruck, wie das sterbende politisch-kulturelle Konstrukt wiederbelebt werden könnte.33 Doch Montefal lehnt den Fronauer ab, es duldet ihn lediglich in seiner vorübergehenden Anwesenheit als Brautführer des politisch unbedeutenden und lenkbaren Gauvain.34

Ruy de Fanez dagegen demonstriert das alternative Modell: Das letzte Abenteuer, das Doderers Erzählung als Titel führt, meint für Ruy, den Schritt aus der epigonalen Welt von Montefal heraus  zu wagen und sich den Herausforderungen der gewandelten Zeitumstände zu stellen, ohne sich dabei von den ursprünglichen Werten des eigenen Standes zu trennen. Daß diese Entscheidung für die Konsequenz im Kontext der neuen Zeit den Tod bedeuten kann, zeichnet der Schluß der Erzählung eher unscharf und nicht eigentlich als Negativum: der Tod bedeutet auch Erleichterung und Erlösung. Eindeutig jedoch bringt der Text die ungläubige Verwunderung des Protagonisten angesichts dieser Möglichkeit zum Ausdruck.

"Zum Ritt ins romantische Land [lade] die vorliegende Geschichte 'Das letzte Abenteuer' ganz offenkundig ein", "nicht belehren" wolle die Erzählung, heißt es zu Ende des "autobiographischen Nachwortes",35 das die 1953 bei Reclam in Stuttgart - also noch zu Lebzeiten Doderers - erschienene erste Ausgabe des Textes im Anhang enthält. Daß dieses Nachwort in den meisten späteren Ausgaben des Textes fehlt,36 muß umso unverständlicher erscheinen, als es in seinem fiktionalisierenden Arrangement der getroffenen Aussagen zweifellos in Sinn-Einheit mit der Aussage des eigentlichen Textes gesehen werden darf: Zwar verkörpert das mit Heimito von Doderer unterschriebene Nachwort einen fiktionalen Text in eigener Berechtigung. Davon zeugen gewählte Erzählhaltung ebenso wie Erzählperspektive. Aber dennoch gehört der Text zu der vorangegangenen Erzählung: Handelt er doch - und dies wohl eben kaum zufällig - ausführlich von den politischen und kulturellen Implikationen eines Lebens im Österreich der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts, denen das erzählende Bewußtsein den fiktionalisierten Autor der Erzählung als ein 56 Lebensjahre zählendes "Er" ebenso einfügt wie dessen Werk.37 Natürlich möchte nun selbst vor diesem Hintergrund niemand platte Eins-zu-Eins Entsprechungen behaupten. Dem würde allein schon die literarische Qualität des Textes widersprechen. Daß aufgrund der dargelegten Konzeption des Textes jedoch die Möglichkeit zu einer aktualisierend-politischen Rezeption durch den Leser besteht - wenn auch nicht für jeden - , darf wohl behauptet werden. Denn Tatsache bleibt, daß der österreichische Kaiser Karl I. in der ungarischen Reichshälfte durchaus ein Karl IV. war; daß sich das kulturelle Leben der Donaumonarchie durchaus ebenso multikulturell gestaltete wie jene Inszenierung der Stauferzeit im "Letzten Abenteuer"; daß man durchaus in der Spätzeit der k.u.k. Monarchie, also seit der Revolution des Jahres 1848 und dem Regierungsantritt Franz Josephs I., in gewisser Weise ebenso epigonal lebte wie am Hof zu Montefal; und daß gleichzeitig Franz Joseph I. von seinen Untertanen in dieser Lebens-Welt als quasi letzte moralische Instanz in einem zerfallenden Staat erlebt wurde. Joseph Roths "Radetzkymarsch", der auf subtile Weise die Stimmung im Volk angesichts des hohen Alters, des langsamen Sterbens und schließlich des Todes jenes Monarchen versinnlicht38 und Roths "Weiße Städte", die sich mit der Desillusionierung einer gesamten Generation angesichts der Erfahrung des Ersten Weltkrieges auseinandersetzen,39 stellen hierzu nicht die einzigen literarischen Belege dar. Auch Arthur Schnitzlers Dramen geben Einblicke in die Befindlichkeiten jener Zeit.

Für einen mit den österreichischen Verhältnissen zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts vertrauten Leser kann Doderers Erzählung vom "Letzten Abenteuer" damit tatsächlich "in irgendeiner Weise bei wirklichen Ärmeln heraus"kommen,40 so wie es der letzte resümierende Satz des "autobiographischen Nachwortes" vorschlägt (während sie für einen anderen Leser die Entwicklungsgeschichte eines Mannes bleibt): Der Leser kann mit dem der Zeit entstammenden Autor den "Ritt" unternehmen ins "romantische Land", und dies - vielleicht auch im Sinne "romantischer Ironie" - abseits jeder Sentimentalität; sprich: er kann in die kulturell-politische Welt der untergehenden bzw. als Konsequenz der europäischen Konstellationen des ersten Weltkrieges untergegangenen habsburgisch-österreichischen Donaumonarchie reisen - und der "Ritt" eröffnet ihm gleichzeitig die Perspektive auf eine trügerische Hoffnung zur politisch-kulturellen Re-Animierung in neu-definiertem Kontext.41 Und in diesem Sinne erweist sich die Erzählung vom "Letzten Abenteuer" möglicherweise auch als autobiographisch.42

 

 

Anmerkungen

 

 

1Heimito von Doderer: Autobiographisches Nachwort, in: Heimito von Doderer: Das letzte Abenteuer. Ein Ritter-Roman, Stuttgart 1981, 93-98, hier: 98.

2Vgl. Ivar Ivask: Psychologie und Geschichte in Doderers Romanwerk, in: Literatur und Kritik, 1968, H. 3, 213-217.

3Vgl. Eva Gruber: Heimito von Doderers "Das letzte Abenteuer": inhaltliche und formale Untersuchung der Fassungen von 1922 und 1936, Diplomarbeit, Wien 1989.

4Vgl. Edit Király: Abenteuer: Die Verschiebung einer Erzählform, in: Edit Király: Drachen, Hexen und Dämonen. Heimito von Doderers Geschichtspoetik, Wien 1998, 58-84, hier: 58-62.

5Vgl. Ivask: 213; Gruber: 58f.

6Vgl. Király: 60-61.

7Zur Genese von Doderers "Letztem Abenteuer" vgl. Wendelin Schmidt-Dengler: Nachwort, in Heimito von Doderer: Das letzte Abenteuer, Stuttgart 1981, 101-107, hier: 102-104.

8Hierfür sprechen insbesondere die in Lutz-W. Wolff: Heimito von Doderer, Reinbek bei Hamburg 1996 dokumentierten Aufzeichnungen (inkl. einer für Doderers Literarisierungs-Technik der politischen Anspielung sehr aufschlußreichen Werk-Skizze zu den "Dämonen" auf Seite 58) und Briefe, die einen durchaus politischen und sich der Verantwortlichkeit der Literatur für politische Fragen durchaus bewußten Heimito von Doderer zeigen - doch gleichzeitig auch einen Heimito von Doderer, der es gewohnt zu sein scheint, seine politischen Stellungnahmen (auch im privaten Bereich) duch Ironie, Gleichnishaftigkeit und Verschlüsselung zu schützen.  

9Vgl. Ivask, Gruber, Király.

10Über das Wort "Panoptikum" heißt es im "Duden. Herkunftswörterbuch der deutschen Sprache" (= Duden Bd. 7, hg. vom wissenschaftlichen Rat der Dudenredaktion, Mannheim, Wien, Zürich 1963) auf Seite 488: "Sammlung von Sehenswürdigkeiten; Wachsfigurenschau"; das im 19. Jahrhundert aufkommende Fremdwort bedeutet eigentlich etwa "Gesamtschau". Es ist eine gelehrte Neuschöpfung aus gr. pan "alles" (Neutrum von pas "ganz, all, jeder") und gr. optikós "zum Sehen gehörig".

11Während Király auf dieses - für einen Rezipienten durchaus immanente und plausible - Potential der Namens-Gebung verweist (vgl. Király: 58), lehnt Schmidt-Dengler die Möglichkeit einer solchen Namens-Bezüglichkeit unter Hinweis auf die Belegung des Namens "Gamuret Fronauer" in einer Wiener Chronik des 15. Jahrhunderts rundweg ab: "Die Figur des Gamuret ist historisch belegt, wenngleich kaum Anspielungen auf seine Identität vorhanden sind: man merkt nur, daß er es faustdick hinter den Ohren haben muß wie sein tatsächliches Vorbild. Spekulationen, Gamuret mit dem Vater des Parsifal in Verbindung zu bringen, erweisen sich somit als müßig" (Schmidt-Dengler: Nachwort, 105). Zweifel an Schmidt-Denglers Sicht der Dinge müssen hier erlaubt sein: Dürfte doch nur den wenigsten Lesern jene entlegene Chronik geläufig (gewesen) sein, aus der der historische Fachmann Doderer den Namen für seine Figur entlehnte, während man im Gegensatz dazu auf eine relativ breite Kenntnis der zentralen Figuren von Wolframs "Parzival" bei der potentiellen Leserschaft hoffen darf. Es müßte folglich als eher unwahrscheinlich gelten, daß Doderer einzig - wie Schmidt-Dengler postuliert - die Anspielung auf den historisch belegten Gamuret Fronauer in die Figuren-Konzeption seines Textes miteinbezogen haben mag und sich gleichzeitig des auf Wolframs "Parzival" bezüglichen Anspielungs-Potentials gänzlich unbewußt gewesen sein sollte. Vielleicht dürfte man eher - insbesondere vor dem Hintergrund der übrigen, dem Bereich der Grals-Sage entlehnten, Figurennamen - für eine Überblendung beider Anspielungs-Potentiale durch den Autor plädieren.

12Vgl. Doderer: Das letzte Abenteuer, 51.

13Vgl. Király: 58.

14Vgl. Király: 58-62.

15Vgl. Király: 62.

16Doderer: Abenteuer, 71.

17Vgl. Doderer: Abenteuer, 82-88.

18Doderer: Abenteuer, 87-88.

19Vgl. Doderer: Abenteuer, 26, 29, 31, 32, 42, 67-69. Zu Bedeutungs-Aspekten des Phänomens "Stadt" in deutschsprachiger Literatur vgl. u. a. Veronika Bernard: Das emotionale Moment der Veränderung. Stadt als Dichtung, Bonn 1999.  

20Vgl. Doderer: Abenteuer, 67.

21Im Text heißt es über Ruy de Fanez: "Jene Unruhe, die er, seinen Jahren gemäß, oft empfunden hatte, schien verscheucht: dadurch daß er selbst sich nun in immerwährender Bewegung befand.

Es war eine geruhige Fahrt. Herr Ruy ritt als einer - und fühlte sich auch so - der alles wohlgeordnet hinter sich gelassen hat. Jeder saß dort in Montefal über dem Seinen, wie ein Essender über Tische bei seinem Teller.

Nur er war vom Tische aufgestanden." (Doderer: Abenteuer, 71).

22Vgl. Doderer: Abenteuer, 90-92.

23Vgl. Doderer: Abenteuer, 69.

24Vgl. Doderer: Abenteuer, 70-71.

25Zwischen 10. und 13. September 1998 fanden in Wetzlar die 18. Wetzlarer Tage der Phantastik zum Thema "Drachenwelten" statt. Dort ergab sich für die Autorin des vorliegenden Beitrages die Gelegenheit, obige Frage mit dem Freiburger Volkskundler Univ.Prof. Dr. Lutz Rörich im Rahmen der an seinen Vortrag "Drachen - gestern und heute" anschließenden Diskussion zu erörtern.

26Vgl. Doderer: Abenteuer, 31.

27Vgl. Doderer: Abenteuer, 32.

28Vgl. unter dem Stichwort "Schlange" in Alexander Roob: Das Hermetische Museum. Alchemie und Mystik, Köln, Lisboa, London, New York, Osaka, Paris 1996, 400-429.

29Vgl. Doderer: Abenteuer, 34.

30Vgl. dazu die Ausführungen in Anm. 10. 

31Vgl. Schmidt-Dengler: Nachwort, 104-105.

32Vgl. Doderer: Abenteuer, 43.

33Interessant erweist sich in diesem Zusammenhang Doderers (vorübergehende) Zugehörigkeit zur NSDAP. Die Anlage der Drachen-Figur in dem Kreis-Schluß um den Deutschen Gamuret Fronauer könnte als literarisches Indiz dafür gewertet werden, daß Doderers Beitritt zur NSDAP vom 1. April 1933 in Zusammenhang stehen könnte mit seinem komplexem, aber wohl durchaus wert-konservativen, Reichs-Verständnis. So ließe sich denken, daß Doderer in dem groß-deutschen Konzept dieser Partei möglicherweise eine potentielle Annäherung an seine Vorstellungen gesehen habe, dann aber - vereinfacht ausgedrückt - von der real-politischen Umsetzung bzw. deren Begleit-Erscheinungen des-illusioniert wurde. Als Österreich 1938 dem deutschen Reich "angeschlossen" wurde, ist Doderers Name aus der Mitgliederliste der NSDAP gestrichen (Vgl. dazu Doderer: Nachwort, 102 und Lutz-W. Wolff: Heimito von Doderer, Reinbek bei Hamburg, 1996, wo auf den Seiten 47-69 Doderers Leben der Jahre 1933-1945 ausführlich durch Briefe und Tagebuchnotizen dokumentiert wird). 

34Vgl. Doderer: Abenteuer, 46, 64.

35Doderer: Autobiographisches Nachwort, 98.

36Eine Ausnahme bildet hier die Reclam-Neuauflage von 1981.

37Vgl. Doderer: Autobiographisches Nachwort, bes. 93-96.

38Vgl. Joseph Roth: Radetzkymarsch, Köln 1999. Insbesondere Kapitel XV, also das Schluß-Kapitel des zweiten Teils (211-222), und den Roths Roman beschließenden Epilog (316-323).

39Vgl. Joseph Roth: Die weißen Städte, in: Joseph Roth: Werke, Bd. 2, Köln 1990, 456-506. Zu den genannten Aspekten des Textes vgl. Veronika Bernard: Weiße Städte. Die farbliche Identität idealisierten Seins, in: Wirkendes Wort 47, 1997, 8-13.

40Doderer: Autobiographisches Nachwort, 98.

41Vgl. dazu die Ausführungen in Anm. 32.

42Vgl. dazu Schmidt-Dengler: Nachwort, 103. Schmidt-Dengler führt dort einen Tagebuch-Eintrag Doderers vom 5. November 1936 an, in dem dieser das "Letzte Abenteuer" als "sehr autobiographisch ausgefallen" bezeichnet. Die Gültigkeit dieser Aussage steht angesichts der im vorliegenden Beitrag dargelegten Implikationen einer essentiellen Zusammengehörigkeit von "Letztem Abenteuer" und "Autobiographischem Nachwort" außer Zweifel. Allerdings deutet die Verknüpfung der beiden Texte in ihren jeweiligen Charakteristika eher in Richtung einer allgemeinen, die Zeit- und Lebens-Umstände meinenden Bedeutung des Wortes "autobiographisch" hin und nicht so sehr auf eine eng gefaßte, die etwa Interpretationen auf der Grundlage einer gezielten Suche nach (äußerlichen) Ähnlichkeiten zwischen den literarischen Figuren des "Letzten Abenteuers" und beispielweise Doderers Bekannten legitimierte (wie im Falle des Spielmanns geschehen, auf dessen Ähnlichkeit mit René Stangeler wiederholt verwiesen wird. Vgl. dazu die zuletzt erfolgte kritische Diskussion in Király: 61).


 

 

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